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Uganda

14. November 2015
Heute Nacht gab es schreckliche Terroranschläge in Paris bei denen 130 Menschen getötet und 350 verletzt wurden. Mir schießt der Gedanke durch den Kopf, dass man zurzeit in Europa gefährlicher lebt, als in Afrika. Die Angstmacher von gestern müssen nun selbst Angst haben. Ziemlich traurig über den grausamen Terror, steige ich aufs Moped und starte Richtung Uganda. An der Grenze habe ich mal wieder Ärger. Erst will man mir 50 $ für einen vermeintlich fehlenden Stempel abknöpfen und dann nochmal 120 $ für eine Zusatzversicherung. Letztere muss ich zahlen. Jedoch nicht ohne zu artikulieren, dass im Land die Kinder hungern und man hier an der Grenze die Kohle abzockt. Wenn das Geld den Kindern zugute käme, würde ich ja gerne zahlen. Aber es bleibt in einer korrupten Administration hängen. Dass ich die 50 $ für den fehlenden Stempel nicht zahlen werde, mache ich den Zöllnern mit lauten Worten klar. Sie akzeptieren meinen Einspruch tatsächlich, lassen mich dafür aber drei Stunden lang in der Hitze schmoren, während sie irgendein Fußballspiel im Fernsehen anschauen.

Man ist solchen Situationen hier einfach völlig machtlos ausgeliefert. Mich ärgert das zunehmend. Der Zeitverlust führt dazu, dass ich erst um 15.00 Uhr, viel später als geplant, aus der Grenzstation heraus komme. Mit der Einfahrt in das Staatsgebiet von Uganda zieht der Himmel zu. Passt zur Situation und dem Groll, den ich immer noch in mir verspüre. Es beginnt zu regnen. Nach einigen Kilometern wird aus dem Regen ein Gewitter. Ich fahre weiter. Anhalten ist keine Option. Sturm, Regen, Blitz und Donner werden immer schlimmer. Es ist wie eine Fahrt wie durch Waschanlage, Schießstand und Windkanal in einem. Der Verkehr wird nicht weniger. Der Unterschied zum Verkehr im Trocknen ist, dass alle mit Warnblinkanlage fahren, was mir ein wenig hilft, denn die Sicht unterm Helm ist minimal. Hab‘ halt keinen Scheibenwischer. Die Spurrillen werden zu zwei parallel laufenden Kanälen. Für Angst ist keine Zeit. Aufgeben keine Option. Mein Kopf schaltet auf Autopilot. Ich funktioniere wie ein Automat. Mein Moped spielt mit. Nach einer Stunde Horror-Trip falle ich notfallmäßig in die nächstbeste Unterkunft ein, die sich mir bietet. Die Anstrengung fordert ihre Opfer. Meine Ansprüche bezüglich Komfort und Hygiene hat mein Autopilot auf zwei Dinge reduziert: „Dach über dem Kopf“ und “ fließendes Wasser“ zum Waschen. Dass das Wasser nicht einmal warm ist, ist mir in diesem Moment völlig egal. Der Mensch ist in der Not anpassungsfähiger als er denkt. Das gilt jedenfalls für mich. Die Absteige war alternativlos. Dafür hat sie umgerechnet auch nur 3 Euro gekostet. Das Dschungelcamp ist ein Ponyhof dagegen. Gut, dass ich meinen Schlafsack dabei habe.

Donner und Blitz waren der Auftakt meiner kurze Zeit in Uganda. Es regnet die drei Tage, die ich mich im Land aufhalte oft und viel. Mein Bild von dem Land und den Leuten ist also in Wasserfarben gemalt und stark verwischt. Mein Urteil ist nicht repräsentativ. Die Zeit war zu kurz und die Umstände alles andere als günstig. Letztendlich war ich froh, als ich wieder draußen war.

Fast schon symbolisch scheint dann auch in Tansania gleich wieder die Sonne.

Aber der Reihe nach.

Ich fahre die Schleife westlich um den Viktoriasee über Kampala, weil ich dort mit Paul Acaye, dem Projektleiter des Charity-Projektes „Uganda Wheelchair Basketball“ verabredet bin. Gemeinsam mit meinem Freund, dem ehemaligen Weltklasse-Schwimmer Thomas Lurz, habe ich in Würzburg eine Sportstiftung zugunsten Behindertensportler eingerichtet. Bei der Vorbereitung meiner Tour bin ich auf das Wheelchair-Projekt von Paul gestoßen. Es handelt sich dabei um Rollstühle, die für nur 350 € in einer Werkstatt in Uganda von einheimischen Handwerkern gebaut werden können. Diese Rollstühle ermögliche es behinderten Menschen, insbesondere den Kriegsversehrten, Rollstuhlbasketball zu spielen. Sport gibt vielen von ihnen wieder Freude am Leben. Unsere Sportstiftung hat zehn solcher Rollstühle gespendet. Ich freue mich daher den Projektleiter besuchen zu können und ihn persönlich kennenzulernen. Er nimmt mich in Empfang, als ich an dem Sonntagnachmittag in Kampala, der Hauptstadt von Uganda, ankomme.

15. November 2015
Nach meiner Abfahrt im Hotel fahre ich in Jinja zur „Source of the Nile“. Zwei schöne Stunden verbringe ich an der Quelle, die mitten im Viktoriasee sprudelt. Ich verabschiede mich vom Nil, der mir einige tausend Kilometer entgegenkam.

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Es ist Sonntagnachmittag 14.00 Uhr. Der Himmel reißt auf und die nun entstehende schwüle Hitze erinnert mich an den dritten Saunagang kurz nach dem Aufguss. Die Einfahrt nach Kampala wird zum Stop and Go. Wobei das Go meist nach wenigen Zentimetern zu Ende ist. Der Grund für den Verkehrsinfarkt ist das Länderspiel Uganda gegen Togo, das um 16.00 Uhr im Mandela Stadion angepfiffen wird. Das Stadion liegt ausgerechnet auf meiner Strecke.

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Das Spiel ist ein entscheidendes Qualifikationsspiel für den Afrika Cup. Entsprechend sorgen wilde Fan-Hundertschaften in Schwarz, Rot, Gelb, den Nationalfarben Ugandas, für einen Lärmpegel, der selbst unterm Helm fast unerträglich ist. Auch hier schaltet sich der Autopilot in mir wieder automatisch an und verhindert Aggression und Verzweiflung. Ich kann die Situation sowie so nicht ändern.

Der Vergleich mit dem Autopiloten hört sich vielleicht zu technisch an, aber für mich trifft der Ausdruck das, was in dem Moment in mir abläuft. Ich bin dann einfach ausgerichtet auf das Ziel und blende Gefühle wie Ärger oder Wut aus.  Ich bin von Natur aus mit einem gesunden Phlegma gesegnet und das hilft mir in solchen Situationen ungemein. Ohne das könnte eine solche Tour schon mal zur Tortour werden. Nach zwei Stunden habe ich mich, seelisch und körperlich unbeschadet, aus der Fanhölle befreit. Paul wartet auf mich im Zentrum der Stadt. Er hat für mich ein Hotel in Down Town gebucht, Luxus im Vergleich zu meiner Bleibe der letzten Nacht. Wir gehen abends in sein Lieblingslokal am Bus-Bahnhof. Ich schaue vom ersten Stock auf die vielen Busse, die „Killer-Maschinen“ der Landstraße, die ungeduldig darauf warten überland ihre Opfer zu finden.

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Paul Acaye ist ein junger, smarter und intelligenter Mann. Er ist sehr sozial eingestellt und opfert seine Zeit und auch Geld für den Behindertensport in Uganda. In dem Land, in dem bis vor einigen Jahren noch blutiger Bürgerkrieg herrschte und das heute mit dem Wiederaufbau beschäftigt ist, fehlt jegliches Bewusstsein für behinderte Menschen. Paul kämpft dagegen an. Er erläutert mir sein überzeugendes Konzept für die nachhaltige Nutzung der Rollstühle. Damit gibt er mir die Sicherheit und das Vertrauen, das unsere Unterstützung in hohem Maße Sinn macht. Paul und das Projekt bringen Licht in das Dunkel meines Aufenthalts.

16. November 2015
Heute stehen Medien-Kontakte und der Besuch des Rotary Clubs Kampala Süd auf dem Programm. Dazu fahren Paul und ich mit dem Sammeltaxi in die Redaktion der regionalen Zeitung. Anschließend geht es zum Rotary Meeting, in dem ich die besten Grüße und einen Wimpel meines Clubs in Würzburg überbringen kann.

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Das Meeting war eine willkommene Abwechslung auf meiner Fahrt. Rotary ist ein weltumspannendes Netzwerk der Freundschaft. Ich habe mich in den anderthalb Stunden mal wieder kurz wie daheim gefühlt. Am Abend gehe ich früh ins Bett, weil ich am nächsten Morgen zeitig losfahren möchte.

17. November 2015

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7.00 Uhr. Es regnet mal wieder in Strömen. Der El Nino ist schuld. Über meinem Aufenthalt in der Hauptstadt von Uganda hängen dicke Regenwolken. Darunter kreisen Marabus wie die Geier. Marabus sind Teil der natürlichen Müllverwertung in dieser chaotischen Stadt. Uganda kannte ich nur von Idi Amin und blutigem Bürgerkrieg. Der ist noch nicht lange her. Die Spuren sind auf den ersten Blick nicht sichtbar – in Gesprächen jedoch spürbar. Das Klima macht die Menschen hier lethargisch. Ihr Gang ist langsam und müde. Gibt man ihnen Motor und Räder, verändert sich ihr Wesen jedoch schlagartig. Der Verkehr ähnelt einem permanent aufgewühlten Ameisenhaufen. Es kommt auf jeden Millimeter an. Der Fußgänger füllt die Lücken, die eigentlich gar nicht da sind. Draußen ist es laut und hektisch. Drinnen dunkel und feucht. Kampala ist kein Urlaubsort, wo man gerne länger bleibt. Meine Sachen sind gepackt. Ich will schnell weiter in den Süden. Und immer noch regnet es in Strömen. Kampala/Uganda 10.00 Uhr. Bei nun nur noch leichtem Regen starte ich. Eine Stunde lang im ersten Gang millimetergenau aus der Stadt raus ‚gestaut‘. Ich grolle mit dieser Stadt, diesem Land; die Regenkombi ist versaut, mein Visier vom Dieselruß beschlagen. Ich bin dann doch eher der Landmensch. Uganda und Kampala haben mich auf dem falschen Fuß erwischt, sorry.

Vielleicht bekomme ich in Zukunft eine zweite Chance, um das Land unter besseren Bedingungen kennenzulernen. Paul Acaye und seinen Mitstreitern wünsche ich viel Kraft und das Stehvermögen für seine Projekte. Das Wheelchair-Projekt hat mich überzeugt, ich werde es auch weiterhin unterstützen.

Ich überquere das letzte Mal auf dieser Tour den Äquator.

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Jetzt geht es in den Süden. Am Ende des Tages schaffe ich es noch bis über die Grenze nach Tansania. Problemlos! Die Sonne kommt raus bevor sie untergeht. Safari Njema.

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